Für mich ist es nun etwas schwer, neue Errungenschaften gegenüber dem direkten Vorgänger auszumachen, eben weil ich diesen nicht selbst gespielt habe. Man möge mir also gleich verzeihen, wenn ich versehentlich ein Feature als halbe Offenbarung feiere, obwohl es bereits letztes Jahr enthalten war. Mein Stand der Dinge ist „Torino 2006“ und das bezeichnete ich vor allem bei der Disziplinen-Vielfalt als echten Blender. Wohl aufgrund der Lizenz gab es nur eine Strecke für teilweise gleich mehrere Sportarten zusammen. Einige davon ähnelten sich bei Steuerung und Anspruch extrem stark, während so Dinge wie Eiskunstlaufen, die Varianz eingestreut hätten, ganz fehlten. Dieses Manko ist größtenteils ad acta gelegt, denn bei „RTL Winter Sports 2009“ ist eigentlich alles dabei, was ich mir von einer Winterolympiade wünsche: Ski Alpin, Skisprung, Eisschnelllauf, Bob, Rodeln, Skeleton, Eiskunstlauf, Curling, Biathlon und Snowboard Halfpipe.
Abwechslungsreich und abwechslungsarm
Diese Sportarten sind nochmals eingeteilt in diverse Unterdisziplinen. Beim Ski Alpin gibt es Abfahrt, Super-G, Slalom und Riesenslalom, wobei die spielerischen Unterschiede wirklich spürbar sind. Bei ersteren beiden geht es um hohe Endgeschwindigkeiten und um eine Ideallinie, bei letzteren eher um Reaktion und Gespür beim Lenken innerhalb der engen Kurven. Den Skisprung absolviert ihr entweder auf einer kleinen oder einer großen Schanze. Vergleichbar damit müsst ihr sowohl auf einer kurzen als auch auf einer langen Distanz den Eisschnelllauf meistern. Bob, Rodeln und Skeleton sind hingegen getrennt als Sportart aufgeführt, ähnlich sich wieder aber massiv. Im Prinzip ist nur die Art des Starts steuerungstechnisch etwas anders gelöst, während ihr in der Bahn auf die praktisch gleiche Art durch sensible Bewegungen mit dem Analog-Pad Bandenstöße vermeidet. Da ändert auch die Tatsache nix, dass das Programm obendrein zwischen 2er und 4er Bobs trennt. Abschließend differenziert man beim Curling zwischen Spiel, Turnier und Simulation. Der Rest kommt ohne Alternativen aus, weshalb die Verpackung mehr oder weniger zurecht von insgesamt 18 Disziplinen spricht.
Genau jene Sportarten, die damals bei „Torino 2006“ noch fehlten, bringen inzwischen Würze ins Programm: Eiskunstlauf, Curling und Snowboard Halfpipe. Letzteres ist übrigens ganz neu: Ihr müsst auf einer nicht gerade übergroßen Halfpipe diverse Kunststücke vollführen, um eine möglichst hohe Punktzahl zu erreichen. Vielfalt spielt eine entscheidende Rolle, denn wenn ihr immer nur die gleichen Tricks anwendet, dann verschlechtert sich im schlimmsten Fall euer Endergebnis. Die Steuerung ist allerdings fast schon zu simpel, weil ihr im Prinzip von einer Seite der Halfpipe zur andern rudert, zum Absprung ansetzt und eine vom Computer gewählte Knopfreihenfolge drückt. Abseits davon könnt ihr einfache Sprünge mit Drehungen vollführen und dabei in den höheren Schwierigkeitsgraden zusätzlich bzw. alternativ euer Snowboard festhalten.
Simple, aber teilweise funktionierende Mechanismen
Der Rest hat sich rein vom spielerischen Kern her gesehen kaum gegenüber „RTL Winter Sports 2008“ verändert, sofern ich dies jedenfalls beurteilen mag. Beim Eiskunstlauf müsst ihr wieder die beiden Analogpads passend zur Musikbegleitung in die angezeigten Richtungen schieben. Das macht die ersten Male sogar sehr viel Spaß, weil das Geschehen auf dem Bildschirm und die vom Spieler abverlangten Aktionen hervorragend zueinander passen. Aber es schleicht sich sehr schnell Langeweile ein, weil sich der Ablauf nur in Abhängigkeit des gewählten Schwierigkeitsgrades verändert. Auch ist es etwas armselig, dass es gerade mal zwei Musikstücke gibt. Deshalb der dringende Rat an die Entwickler: Da müssen mindestens zehn Mal so viele und ein kleiner Zufallsgenerator rein, der vielleicht nicht den geforderten Takt, aber die jeweiligen Richtungen durcheinander würfelt.
Curling ist ein Phänomen für sich, denn irgendwie ist es total langweilig und doch auch irgendwie interessant. Bob, Rodeln und Skeleton sind anscheinend ganz wichtige Traditionsportarten, die in einer Olympiadensimulation Pflicht sind, jedoch aufgrund der limitierten Technik keinen rechten Sinn ergeben. Ich meine: Ihr steuert durch eine Bahn und nehmt mit dem Pad minimale Korrekturen vor, um ja nicht die Wand zu berühren. Eine Ideallinie innerhalb der Kurven soll für etwas mehr Anspruch sorgen, doch letztlich bleiben eure Einflussmöglichkeit arg begrenzt. Da ihr abseits vom Spielen einer Einzeldisziplin auch noch stets den gleichen Parcours runter düst und dies obendrein immer in zwei Läufen, schlittert das Spiel immer mal wieder auf das Gleis der anspruchslosen Abwechslungsarmut. Abseits von Turnieren & Co. gibt es immerhin ein paar alternative Bahnen, aber das bringt mir in einem allumfassenden Wettbewerb auch nichts. Bevor einer meckert „In der Realität ist das auch nicht anders“: In dieser Realität wäre es auch etwas arg aufwändig, für eine Olympiade mehrere Bob-Bahnen zu basteln, während das bei einem Computerspiel kein großes Ding ist. Obendrein tritt „in der Realität“ selten ein Sportler in mehreren Sportarten an, während ich als Spieler die gesamte Mannschaft eines Landes „übernehme“. Deshalb, liebe Entwickler: Verzichtet auf den „Realismus“ und gebt mir wenigstens einen alternativen Modus, in dem die Bahn von Wettbewerb zu Wettbewerb variiert.
Ein vergleichbares Problem gibt es bei dem Ski Alpin-Kram, nur ist diese Sportart von Grund auf herausfordernder. Ihr werdet selbst im leichtesten Schwierigkeitsgrad ein paar Versuche benötigen, bis ihr als Erstplatzierter durch das Ziel braust. Der Skisprung hingegen krankt immer noch an seiner extremen Versimplifizierung: Knopf drücken, ausbalancieren, Knopf drücken, ausbalancieren, Knopf drücken... das war´s. Es mag manchem nicht gefallen, dass ich erneut das Spieldesign eines inzwischen 23 Jahre alten Klassikers auskrame, aber: Selbst im alten „Winter Games“ konnte ich die Position der Skier verstellen. Gegenüber „Torino 2006“ ist immerhin der Biathlon etwas komplexer, weil es diesmal nicht nur auf das Einteilen der Kräfte ankommt, sondern auch auf das richtige Einlenken. Zudem sind die Auswirkungen eines erschöpften Läufers am Schießstand viel spürbarer, weil dieser dann recht stark zittert. Bleibt noch der Eiskunstlauf, der auf eine schlichte „Drücke abwechselnd auf zwei Knöpfe“-Mechanik vertraut, diese jedoch aufgrund grafischer Balken und eines fordernden Timings ansprechend umgesetzt ist. Auch das gefällt mir deutlich besser als das arg schlichte Prozedere im alten „Torino 2006“.
Jetzt mit Schwierigkeitsgrad
Sprudele ich nun über vor Freude? Es gibt mehr Abwechslung und manche Disziplin ist etwas schwieriger zu beherrschen. Das alleine würde mich nicht in Jubelstürme ausbrechen lassen, aber zum Glück haben die Entwickler noch ein paar Spielmodi eingebaut, die gar für einen zarten Hauch von Langzeitmotivation sorgen. Die Wettkämpfe bestehen aus einer Aneinanderreihung mehrerer Disziplinen und sind entsprechend nicht wirklich aufregend. Der Kampagenenmodus hingegen hat es mir schwer angetan, weil ihr hier einen ganzen Batzen Aufgaben vorgesetzt bekommt. Dazu gehören beispielsweise das Erreichen einer Mindestgeschwindigkeit beim Rodeln, das korrekte Platzieren einer Scheibe beim Curling oder das Zusammenrechnen von eingeblendeten Zahlen während der Abfahrt. Das ist jetzt nicht wirklich innovativ, aber im Falle von „RTL Winter Sports 2009“ nahezu perfekt designt. Am Anfang stehen euch nur sehr leichte Aufgaben zur Verfügung, während jene gegen Ende hin euch halb zur Verzweiflung bringen können. Am Schluss steht gar ein Kampf gegen einen extrem starken, vom Computer gesteuerten, Konkurrenten an, was schlicht als Bosskampf bezeichnet wird. Kurz und knapp: Die Entwickler haben sich zumindest in diesem Modus getraut, so etwas wie einen anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad einzubauen.
Die Sache hat nur einen Haken: Es gibt zusätzliche Stadien und Strecken für die Disziplinen, die ihr eben hier im Kampagnenmodus frei schaltet. Das gleicht einer echten Lebensaufgabe, weshalb dies alternativ im deutlich leichteren Karrieremodus (siehe unten) ebenso möglich ist. Das gilt jedoch nicht für den optionalen vierten Schwierigkeitsgrad, für den ihr zwingend die Bosskämpfe erreichen und schaffen müsst. Man möge mir verzeihen, dass ich dazu nicht im Stande war, denn wie gesagt: „Lebensaufgabe“. Nur würde ich liebend gerne diesen vierten Grad auch so anwählen können, gerade bei den Disziplinen, die ich schnell perfektionieren konnte (z.B. Eiskunstlauf oder Bob/Rodeln/Skeleton). Ich verstehe nicht so recht, wieso ich hierfür die anderen Disziplinen, die deutlich schwerer zu beherrschen sind, ebenfalls perfekt können muss. Ein paar Worte zum Karrieremodus: Dort baut ihr einen Sportler auf, der von einem Wettbewerb zum nächsten reist und beim Gewinn von Medaillen Erfahrung sammelt. Diese verteilt ihr auf die verschiedenen Disziplinen, woraufhin ihr in diesen Vorteile besitzt. Auch dies ist kein Modus, die ihr in fünf Minuten schafft. Aber im Gegensatz zu den Aufgaben in der Kampagne benötigt ihr eher Geduld als echte Skills.
Kompetent präsentiert
Grafisch schaut der Spaß wirklich schick aus, zumindest was die frostig-schneebedeckte Umgebung anbelangt. Nur die Polygonsportler sollten besser keinem Schönheitswettbewerb beiwohnen. Die Technik macht auch keine Zicken, allerdings wird diese auch nicht wirklich gefordert. Multiplayer-Optionen gibt es gerade mal für bis zu vier Spieler an einer Konsole (Veteranen-Motzer: bei „Winter Games“ waren doppelt so viele möglich...) und Splitscreen geht gar nur mit zweien gleichzeitig. Die Musik ist etwas seltsam, was Stil und Atmosphäre anbelangt. Halbwegs gefallen haben mir die beiden dudeligen Eiskunstlaufmelodien, auch wenn sie nicht gerade viel Power besitzen. Die Kommentatoren sind nach wie vor grässlich: Besonders die Witze, die der ehemalige Sporttrainer und der neunmalkluge Reporter austauschen, stammen aus der untersten aller tiefgelegten Schubladen.
quelle:demonews.de
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